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Vor 100 Jahren, am 30. August und 1. September 1923, gab die Stadt Neumarkt aus Mangel an Geld Notgeldscheine heraus. Heute sind sie begehrte Sammelobjekte und Erinnerungsstücke.
Was das Wort Notgeld für Menschen vor genau einhundert Jahren bedeutete, kann sich heute kaum jemand vorstellen. Dieses Wort erweckte bei vielen Menschen eine ganze Reihe von meist schlechten Erinnerungen: Krieg, Notzeiten, Geldmangel, Lebensmittelnot, Hamsterfahrten auf das Land, Inflation, riesige Mengen von wertlosem Geld und kein ausreichendes Warenangebot.
Die Era, die diese “Notgeldzeit” während und nach Ende des 1. Weltkrieges mitgemacht hat, diese Leute leben schon lange nicht mehr, oder wären heute schon weit über einhundert Jahre alt, so der erste Vorsitzende des Münzverein Neumarkt, Andreas Meyer. Der Münzverein Neumarkt will an diese Notzeiten im Landkreis Neumarkt erinnern, da es sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt.
Die eigentlich Notgeldzeit begann schon im Kriegsjahr 1917. Die Stadt Berching gab 1917 Notgeldmünzen in Stückelung zu fünf, zehn und 50 Pfennig, 1920 Notgeldmünzen in Stückelung zu zehn, 20 und 50 Pfennig heraus. Auf ihnen warfare der Spruch “Arbeit und Kraft mein Ende schafft” zu lesen.
Auch Berching, Wissing und Schnufenhofen gaben Notgeld heraus
Aus der Stadt Neumarkt sind zwei Notgeldmünzen zu zehn und 50 Pfennig aus dem Jahr 1921 bekannt, die Gemeindeverwaltungen Schnufenhofen gab jeweils Kleingeldersatzmarken zu fünf und zehn Pfennig und Wissing Kleingeldersatzmarken zu fünf, zehn und 50 Pfennige heraus.
Aber auch Privatfirmen wie die Kunstmühle Carl Zinn in Neumarkt wussten sich aus Geldmangel nicht anders zu helfen, als eigenes Kleingeld im Wert zu fünf, zehn und 50 Pfennig auszugeben. Die Bäckerei Spitzer aus Dietfurt brachte eine 50-Pfennig-Notgeldmarke mit einer Breze abgebildet heraus, darum der Spruch eingeprägt: “Gibt es dies in Natura, andere Zeiten sind dann da”.
Die meisten Vorstellungen vom Begriff Notgeld sind durch Erinnerungen oder Erzählungen geprägt, die eben auf die Epoche des ersten Weltkrieges und seine Folgezeit zurückgeht, sagt Meyer. Vor 100 Jahren erreichte der Geldwertverfall der Mark im Deutschen Reich und somit auch in den Städten und Gemeinden des Landkreises Neumarkt seinen Höhepunkt. Bauern, Arbeiter und Beamte wurden über Nacht Millionäre und Milliardäre, aber ihr Lohn warfare kaum noch etwas wert.
Das Pfund Butter für sechs Billionen Mark
Ein Beispiel an dieser Stelle: Der Stundenlohn eines Handwerkers betrug vor dem ersten Weltkrieg 0,57 Mark, nach dem ersten Weltkrieg 1,33 Mark und am Ende der Hochinflation im Jahre 1923 300 Milliarden Mark. Im Oktober 1923 kostete das Porto eines einfachen Briefes 80 Milliarden Mark und ein Pfund Butter sechs Billionen Mark. Summen die man sich gar nicht mehr vorstellen kann, so Andreas Meyer.
Die Inflation nach dem Ende des ersten Weltkrieges stellt eines der traurigsten Kapitel der deutschen Geldgeschichte dar. Schon als 1914 der Ausbruch des Krieges drohte, stürmten Menschen panikartig die Geldinstitute, um Geld für eventuell kommende Notzeiten abzuheben. Der Niedergang der bis dahin geltende Goldwährung begann. Die Reichsbank warfare nicht mehr in der Lage, Banknoten gegen Gold einzulösen.
Erst 1916, als das Nickelgeld offiziell eingezogen wurde und die staatlichen Ersatzgepräge aus Zink und Eisen nicht rasch genug zur Verfügung standen, wurden von Städten, Privatfirmen und Gemeinden Notgelder ausgegeben, teils aus Metall, teils aus Papier, meist in Werten zu fünf, zehn, 25 und 50 Pfennig.
Beliebt bei Sammlern
Sicher erfüllten sie teilweise die Aufgabe des Kleingeldersatzes, aber bald stellte sich heraus, dass sie einen anderen Zweck erfüllten. Sie wurden von breiten Kreisen der Bevölkerung gesammelt. Statt in den Geldverkehr, wo sie bald nur noch ausnahmsweise benötigt wurden, wanderten sie in Sammelmappen und Alben.
Immer neue Serien der Kleingeldscheine wurden ausgegeben. Während 1914 nur etwa 40 Orte, Bezirke und Unternehmen, die Notgeld druckten und ausgaben, waren es von 1916 bis 1922 über 4000. Hinzu kamen noch etwa 1500 Städte und Gemeinden, die Hartnotgeld prägen ließen.
Auch Firmen wie die Laberkraftwerk Bau Aktiengesellschaft Dietfurt sowie die Neumarkter Filiale der “Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Financial institution” kamen der rasenden Inflation kaum mehr nach und gaben deshalb 1923 Notgeldscheine heraus, so Meyer.
1923 warfare es besonders schlimm
Der Höhepunkt der Inflation im November 1923 wurde für die Menschen ein wahrer Alptraum. Die bis zu ihrem Ende hergestellten rund zehn Milliarden Banknoten erreichten einen Nennwert von 3,877 Trillionen Mark, einer Zahl mit 18 Nullen – eine wahrhaft astronomische Ziffer, für die uns jegliche Vorstellungskraft fehlt, sagt der erste Vorsitzende des Münzverein Neumarkt.
Das Notgeld im Landkreis Neumarkt ist etwas ganz Besonderes für die an der Heimatgeschichte interessierten Mitglieder des Münzverein Neumarkt, so Meyer. Sie sind zu einem Sammelgebiet geworden, dessen Interessenkreis ständig wächst.
Hier bieten sich für Freunde der Heimatkunde, der Lokal- und Heimatgeschichte, aber auch für Liebhaber kleinformatiger Druckgraphiken ein lohnenswertes Feld. Obwohl das Not- und Inflationsgeld meist primitiv gestaltet und nur einseitig gedruckt wurde, wird es aus geldhistorischen Gründen gesammelt, oft auch nur zur Dokumentation der auf ihnen erschienen astronomischen Zahlen.
Broschüre des Münzvereins
Der Münzverein Neumarkt hatte bereits 2003 eine 64-seitige Broschüre zum Notgeld der Stadt Neumarkt verfasst mit dem Titel: “80 Jahre Notgeld der Stadt Neumarkt – als alle Neumarkter Millionäre waren…” um an diese dunkle Zeit der Währungsgeschichte im Landkreis Neumarkt zu erinnern. Insbesondere aber über die Ereignisse in unserer Area zu berichten. Restexemplare dieser Broschüre können auf der Homepage des Münzverein Neumarkt zum Preis von zehn Euro unter www.muenzverein-neumarkt.de oder beim ersten Vorsitzenden Andreas Meyer unter (09181) 6165 bestellt werden.