Vietnam hat im Buddhismus einen lukrativen Geschäftszweig entdeckt. Selbst nicht religiöse Einheimische besuchen die Tempel in der Hoffnung, davon zu profitieren. Die Tempel tun es allemal.
Als Tom die Vinh Trang-Pagode betritt, ist seine Stimme voller Stolz. Wobei der Reiseführer, der Gästen aus Japan, Deutschland und Indien erklären muss, was an dieser buddhistischen Stätte im Mekong-Delta so besonders ist, mehr über Superlativen als über Religiöses spricht: „Dies ist die älteste Pagode in der Gegend hier, sie steht seit 1849, wurde 1907 ausgebaut. Sie fällt auch für die Größe der Anlage auf.“ Außerdem steche die architektonische Mischung zwischen westlichem, kambodschanischem und vietnamesischem Stil ins Auge. „Im ganzen Land wird man keine Pagode wie diese hier finden!“
Toms Heimatland Vietnam struggle von 1877 bis zum Zweiten Weltkrieg eine Kolonie Frankreichs, wovon die westlich ornamentierten Fassaden inspiriert sind. Der gelbe Anstrich ist ein Einfluss aus dem Nachbarland Kambodscha. Herausragend sei dieser Tempel aber auch deshalb, weil er 60 goldene Buddhastatuen zeigt, zudem einige riesige, überdimensionierte Buddhas auf den Dächern mehrerer Gebäude. Und für buddhistische Reisende seien solche Besonderheiten eben eine Sensation. Oder zumindest für diejenigen, die sich gern mal buddhistisch fühlen.
Und davon gibt es immer mehr. „Es kommen vor allem vietnamesische Touristen her“, sagt Tom grinsend, als er sich vor eine lachende Buddhastatue stellt. Die Besucher aus anderen Ländern interessierten sich weniger: „Filipinos sind Katholiken, die kümmern sich darum weniger. Besucher aus Indonesien und Malaysia sind meistens Muslime, denen ist das auch eher egal.“ Aber für Menschen aus Vietnam sei so eine Pagode faszinierend. „Sie lieben sie.“ Und Tom erklärt: Dies sei wiederum für die Tempelbetreiber wichtig. „Es geht ja auch ums Geschäft.“
Wie bitte? Ja, nickt der Touristenführer und deutet auf die Statue des lachenden Buddha hinter sich: „Diese Statue hier ist zum Beispiel noch relativ neu, 2003 erbaut, wie üblich finanziert durch Spenden lokaler Unternehmen und Besucher.“ Wobei das Spendenvolumen wichtig sei, damit danach üppig gebaut werden könne. Denn je größer, schöner und besonderer eine Pagode sei, desto mehr Leute kommen von nah und fern her, um sie mal zu sehen.
„Und wenn sie hier sind, spenden sie Geld“, sagt Tom. „Normalerweise gibt man zwei Greenback, fünf, zehn oder sogar 20.“ In einem Land, wo die jährliche Wirtschaftsleistung professional Kopf rund 3700 US-Greenback beträgt, sind dies beträchtliche Werte. Aber der Buddhismus boomt eben.
Oder sollte man besser sagen, es boomen vor allem die Bauwerke? Hierüber wird jedenfalls seit einiger Zeit diskutiert: Die Zunahme von Tempelanlagen, die irgendwelche neuen Rekorde aufstellen. Das Onlineportal „The Vietnamese“ widmete diesem Thema im Juni einen längeren Artikel, in dem es fragte: „Wie viele Buddhastatuen in Vietnam wetteifern um den Titel, die größte zu sein? Warum ist es ein Development, gigantische Buddhastatuen zu bauen?“
Der Artikel von „The Vietnamese“ listet nur zehn der imposantesten Anlagen auf. Die Superlativen offenbaren viel Kreativität: Sie reichen von der mit 73 Metern höchsten Buddhastatue in Südostasien über „größte Shakyamuni-Statue in Vietnam, die in einen Felsen gemeißelt ist“, bis zur „größten liegenden Buddhastatue aus Holz im Zustand des Nirvana.“ Wer das liest, könnte in Vietnam eine hyperreligiöse Gesellschaft vermuten. Aber Tom wiegelt ab: „Ich selbst besuche regelmäßig Pagoden, aber ich bin kein Buddhist“, sagt er, als wäre das selbstverständlich.
Er befolge nur immer wieder die Doktrin, um gutes Karma zu haben: „Gutes tun, damit uns später Gutes widerfährt.“ Tom ist insofern sogar ein Durchschnittsvietnamese. Nur rund vier Prozent der Bevölkerung sehen sich als gläubig buddhistisch an. Und dies bei zunehmendem Development, denn bis in die 1990er Jahre wurde Faith noch streng von der regierenden Kommunistischen Partei kontrolliert.
Die Zeit der Kontrolle ist dahingehend vorbei, sagt Dung Ngoc Duong, Philosophieprofessor an der Hoa Sen Universität in Ho Chi Minh Metropolis im Süden des Landes: „Den Menschen in Vietnam ist Faith eigentlich nicht besonders wichtig“, sagt er in der Aula seiner Universität im Zentrum der Stadt und schmunzelt. „Aber man kann das schon sagen: Faith ist zu einem Supermarkt geworden. Man kann sich vermeintlich alles kaufen, was man sich wünscht.“
Dung beobachtet eine Vulgarisierung der Faith, vor allem im Zusammenhang mit dem Buddhismus, dessen Wurzeln im Land besonders weit zurückreichen: „Bei einem neuen Tempel hier in der Nähe, wo viel Geld in die Anlage investiert wurde, haben sie mich angesprochen, ob ich der oberste Mönch werden wolle.“ Weil er einen Doktorgrad in Religionsphilosophie habe, könne er doch bestimmt viele Menschen anziehen, hieß es. „Ich könne auch alles sagen, was ich wolle. Das Ganze ist additionally ein riesiges Geschäft!“
Duong Ngoc Dung lehnte das Angebot ab, empört sei er gewesen. Aber er hätte wohl viel Geld verdienen können, wie der Fall eines anderen Professors zeigt: „Der beliebteste Mönch im Land heißt Thich Truc Thai Minh, ein richtig gutaussehender Typ“, berichtet Dung. „Vorher struggle er Wirtschaftsprofessor und niemand verstand, warum er plötzlich Mönch wurde, und dann auch noch sofort der Chef einer großen Pagode in Nordvietnam struggle.“ Aber binnen kurzer Zeit seien die Erlöse seiner Pagode auf 50 Milliarden Dong (rund 1,9 Millionen Euro) verzehnfacht worden.
Wie er das geschafft hat? Der Tempel wurde einer Leisure-, Genuss-, und Beratungsoase. „Dort führen sie jetzt ein luxuriöses Restaurant“, berichtet Duong Ngoc Dung und schüttelt ungläubig den Kopf. „Außerdem sagt der Mönch kranken Personen, dass sie böse Geister in ihrer Familie haben und bietet dann entsprechende Dienste an.“ Ob das noch etwas mit Buddhismus zu tun habe?“ Der Religionsprofessor winkt ab. „Das ist einfach Bullshit!“
Aber es sei eben wirtschaftlich erfolgreich. Denn für das Florieren des Geschäfts mit dem Buddhismus ist nicht nur die Liberalisierung der Religionen ab den 1990er Jahren verantwortlich. Ebenso wichtig sei die Wirtschaftsreform unter dem Banner Doi Moi (Erneuerung) in den 1980er Jahren gewesen. Sie erlaubte trotz kommunistischer Regierung privatwirtschaftliche Aktivitäten – und machte damit auch die Faith zum potenziellen Enterprise.
„Nach den Doi Moi-Reformen blühten ganz viele religiöse Aktivitäten auf“, erinnert sich Duong Ngoc Dung. Wobei es seitdem schwieriger geworden sei, Faith und Aberglaube noch klar voneinander zu unterscheiden. „Heute ist der Grund für alles, was Leute tun, Geld. Auch mit all den Riesenstatuen und so.“ Man könne darüber streiten, ob die Entwicklung der Religionen hier positiv sind oder nicht, findet Dung. „Aber Fakt ist: Diese Artwork von Faith wächst gerade sehr stark.“
Das zeigt sich auch im Café Anh im Zentrum von Ho Chi Minh Metropolis. Hier plant Pham Thi Ngoc Anh, die das Café mit ihrem Mann gegründet hat, gerade die Growth ins Ausland ( siehe FR vom 14. September, Anm. d. Redaktion ). Und damit das gelinge, werde sie in Kürze in den Norden reisen, ins 1600 Kilometer entfernte Hanoi: „Im Norden gibt es eine Pagode für Leute, die ihr eigenes Unternehmen gegründet haben“, sagt die 41-Jährige. „Dorthin geht man regelmäßig und bittet um gute Geschäfte.“
Auch Pham Thi Ngoc Anh betont, nicht sonderlich gläubig zu sein. Aber einige Normen solle man respektieren. Und wenn man sich ein bisschen Glück kaufen könne – warum denn nicht? „Uns ist klar, dass es keine Wissenschaft ist“, sagt sie und lächelt ein bisschen beschämt. „Am Ende des Jahres müssen wir dann auch wieder zur Pagode kommen und uns bedanken. Denn wenn mal etwas schlecht läuft, könnte es dann daran gelegen haben, dass wir nicht dankbar waren.“
Und in den fernen Norden reist sie dafür deshalb, weil dort ein besonders passender Tempel stehe. Ein besonders großer, schöner. Und das sei ja immer besser.