14. August 2023
ABDAs Liebespostkarten-Aktion soll die deutschen Apotheken retten! Mein liebes Tagebuch, dieser Eindruck kann sich einstellen, wenn man die Anstrengungen und den Eifer verfolgt, mit dem sich unsere Standesvertretung um diese „Eskalationsstufe“ bemüht. Sogar unsere ABDA-Präsidentin tritt vor die Videokamera und bittet flehentlich darum, an dieser Aktion teilzunehmen und die Kärtchen an die Kundschaft zu verteilen, Motto: „Wir lieben Apotheken, weil…“ Dieses „Weil“ sollen bitteschön unsere lieben Patientinnen und Patienten liebevoll zu Papier bringen und ihre große Wertschätzung für ihre Apotheke ausdrücken. Denn schließlich sollen diese Liebesbeweise, die dann digitalisiert an die Bundesregierung adressiert werden, unserer Regierung übergeben werden. Umso mehr Apotheken und Patienten mitmachen, „umso größer wird der Datenpool an Aussagen und umso wirkmächtiger wird die Kommunikation“, meint die Präsidentin. Und was sagen unsere Kolleginnen und Kollegen dazu? Hört man sich mal an der Foundation um, dann magazine es vielleicht die eine oder den anderen geben, die diese Kärtchen unters Volk bringen wollen. Aber große Begeisterung für diese Aktion sieht anders aus. Ehrlich gesagt, es hinterlässt schon einen quick hilflosen, naiven Eindruck, wenn man mit einer „Wir-lieben-Apotheke-Weil“-Postkartenaktion um die Gunst der Patientinnen und Patienten bettelt. Wie weit sind wir gekommen? Und alles soll eine Eskalationsstufe sein, um unserer Forderung nach dem Honorar Nachdruck zu verleihen? Fällt der ABDA da wirklich nichts Besseres ein? Was würde man denken, wenn man beim nächsten Besuch seiner Hausarztpraxis ein Postkärtchen in die Hand gedrückt bekommt mit der Bitte, etwas Liebes über die Praxis zu schreiben? Apropos Ärzte, mein liebes Tagebuch, schau doch mal weiter unten in den Eintrag von 18. August: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hält sich nicht mit Liebes-Postkärtchen auf – da wird der Praxenkollaps rausgehauen und mit Streik gedroht.
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) ist in der Mache. Oh Gott, noch so ein Lauterbach-Gesetz, das uns da ins Haus steht! Es geht darum, die im Gesundheitswesen anfallenden Gesundheitsdaten besser zu nutzen und damit die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung zu steigern. Prinzipiell ein Anliegen, das zu unterstützen ist. Aber an der einen oder anderen Stelle gibt es unbedingt Nachbesserungsbedarf, wie auch aus der Stellungnahme der ABDA zum Referentenentwurf des Gesetzes hervorgeht. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass Krankenkassen die Möglichkeit haben sollen, eine automatisierte AMTS-Prüfung vorzunehmen. Und diese Möglichkeit berge „zahlreiche Risiken für Patientinnen und Patienten und muss daher ersatzlos gestrichen werden“, so die ABDA. Mein liebes Tagebuch, das kann man unterstreichen. Wenn Krankenkassen sich da in die Therapie einmischen und womöglich aus ihrer Auswertung der Datenmengen, z. T. mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, irgendwelche Empfehlungen für die Arzneitherapie ableiten und dies an die Versicherten kommunizieren, kann dies zu Verunsicherungen der Patientinnen und Patienten führen, ganz abgesehen davon, dass bei den Krankenkassen nicht die Behandlungsexpertise vorhanden ist, weder in der erforderlichen Qualität noch Quantität, wie die ABDA anmerkt. Denkbar seien allenfalls „fachliche Hinweise an die behandelnden Leistungserbringer”, die dann aufgrund einer umfangreicheren Datenlage zusammen mit den Patientinnen und Patienten eine Therapieentscheidung fällen können. Additionally, so eine Einmischung der Krankenkassen bringt nichts außer Verunsicherung. Besser ist, wenn die Leistungserbringer selbst sich um eine intensive Betreuung der Menschen kümmern und die Daten, die durch die Digitalisierung des Gesundheitswesens generiert werden, für eine Therapieoptimierung nutzen dürfen. Kritisch sieht die ABDA übrigens auch, dass Daten, die in die elektronische Patientenakte (ePA) fließen, automatisch für Forschungszwecke weiter verwendet werden dürfen, es sei denn die Versicherten widersprechen diesem Vorgehen. Die ABDA fordert, mit Blick auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung, das Weiterleiten besonders sensibler Daten nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Versicherten zu ermöglichen. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig. Außerdem sollte das Choose-out-Verfahren, das prinzipiell für die ePA vorgesehen ist, auch analog möglich sein und nicht wie geplant über ein elektronisches Endgerät. Denn dadurch würden Menschen, die keinen digitalen Zugang haben, ausgeschlossen (lt. Statistisches Bundesamt haben rund 17 Prozent der Seniorinnen und Senioren keine digitalen Möglichkeiten). Mehr Freiheiten wünscht sich die ABDA dagegen bei der Nutzung der Daten, die der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) des Deutschen Apothekerverbands aus den Apotheken beziehungsweise von den Rechenzentren erhält. Allerdings sollten das natürlich keine sensiblen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der einzelnen Apotheken sein, wie die ABDA hinzufügt.
15. August 2023
Der Deutsche Apothekertag wirft seine Schatten voraus. Die eingereichten Anträge versprechen viel Diskussionsstoff. In einem Antrag machen sich die Antragsteller beispielsweise für einen bundesweit einheitlichen und für alle Kassen gültigen Hilfsmittel-Versorgungsvertrag stark. Es soll endlich Schluss sein mit der unübersichtlichen Vertragssituation, die zudem die Belieferung entsprechender Verordnungen erschwert. Mein liebes Tagebuch, ein wirklich sinnvoller Antrag! Dieser Flickenteppich von Versorgungsverträgen für Hilfsmittel ist ein Unding! Da herrscht Kleinstaaterei, Bürokratie und vollkommene Intransparenz. Selbst das Bundesamt für Soziale Sicherung beklagt die fehlende Transparenz über die von den Krankenkassen abgeschlossenen Verträge. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass der Antrag die längst überfällige Diskussion zu diesem Thema in Gang bringt und dazu führt, das es endlich eine einheitliche, offene und kostenfrei zugängliche Schnittstelle für elektronische Kostenvoranschläge gibt. Außerdem wünschen sich die Antragsteller eine prinzipielle Genehmigungsfreiheit bei der Versorgung mit Hilfsmitteln, die für die Anwendung von ärztlich verordneten Arzneimitteln erforderlich sind, durch Apotheken, um die unmittelbare Anwendung der Arzneimittel zu ermöglichen. Ein bundeseinheitlicher Hilfsmittel-Versorgungsvertrag ist längst überfällig, er wäre auch ein Beitrag zur Entbürokratisierung.
16. August 2023
Lauterbach freut sich wie ein Schneekönig: Das Bundeskabinett hat sein Cannabis-Legalisierungsgesetz auf den parlamentarischen Weg gebracht. Es sei ein „Wendepunkt einer leider gescheiterten Cannabisdrogenpolitik“. Gleich drei Probleme will er mit diesem Gesetz angehen: den steigenden Hashish-Konsum, die Drogenkriminalität, die zu 50 Prozent Hashish-Delikte ausmacht, und der problematische Schwarzmarkt wegen toxischer Beimengungen zu Hashish. Die Lauterbachsche „kontrollierte Legalisierung“ soll das nun richten. Tja, mein liebes Tagebuch, ob sein Gesetz die gewünschte Abhilfe schafft, bleibt abzuwarten. Die Meinung im Land ist gespalten, Befürworter und Gegner halten sich in etwa die Waage. Ehrlich gesagt, ich bin so gar nicht davon überzeugt, dass dieses Hashish-Gesetz den Schwarzmarkt austrocknen kann und die Drogenkriminalität zurückdrängt. Der Scharzmarktpreis wird günstiger sein als der Staatspreis. Zur Not wird eben beigemengt und gestreckt. Steigen wird wahrscheinlich die Zahl der jugendlichen Hashish-Consumer mit der Gefahr von Gesundheitsschäden und den Gefahren im Straßenverkehr durch Fahren unter Drogeneinfluss. Geht dann auf das Konto von Lauterbach.
Die Apotheken sind in sein Hashish-Legalisierungsgesetz bisher nicht eingebunden, für sie hat er ein eigenes neues Gesetz für Medizinalcannabis in petto mit der Hashish-Verordnung auf normalem Rezept.
Schauen wir noch mal in die Antragskiste zum bevorstehenden Deutschen Apothekertag 2023. Ein Leitantrag greift die bereits schon mal gescheiterte Idee wieder auf, die Botendienstvergütung nicht nur für verschreibungspflichtige, sondern für alle erstattungsfähigen Arzneimittel durchzusetzen, z. B. für verordnete apothekenpflichtige Arzneimittel für Kinder. Aber der Antrag geht noch weiter: Er möchte, dass die Botendienstvergütung nicht bei 2,50 Euro plus Umsatzsteuer festhängt, er soll viel mehr einer dynamischen Steigerung unterliegen beispielsweise aufgrund der Inflationsrate, des Bruttoinlandsprodukts oder ähnlichen Kenngrößen. Nett gedacht, mein liebes Tagebuch, ob dies allerdings ein knallhart realistischer Antrag ist oder eher ein Antrag aus der heilen Welt des Ponyhofs, magazine jeder für sich entscheiden.
17. August 2023
Umsatzrückgänge auf breiter Entrance, ein tiefrotes Unternehmensergebnis, weniger aktive Kunden – das lässt sich aus dem Halbjahresergebnis von DocMorris herauslesen. Müssen uns da die Tränen kommen? Wir halten uns da mal mit Mitleid zurück. Denn der EU-Versender an der deutsch-niederländischen Grenze arbeitet mit Hochdruck daran, seine Kundenqualität, künftiges Umsatzwachstum und Pofitabilität zu festigen. Da wird weiter investiert in den Webshop und in die App. Das Unternehmen hat Deutschlands potenzielle E-Rezept-Kunden fest im Blick, vor allem solche mit einem chronischen Arzneimittelbedarf. Additionally, mein liebes Tagebuch, wir sollten die Aktivitäten des Arzneimittel-Versenders beobachten: Irgendwie ist er angesichts seines schwachen Ergebnisses vergleichbar mit einem hungrigen Raubtier…
Nö, Sildenafil und Tadalafil, die begehrten „Stärkungsmittel“ für Männer, gibt’s auch weiterhin nicht ohne Rezept in Deutschland. Das hat unser Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht empfohlen. Dass Sildenafil beispielsweise im Nachbarland Polen schon seit 2016 als OTC über die Theke geht, hat diesen Ausschuss nicht beeindruckt, er sieht die gesundheitlichen Gefahren im Vordergrund. Und was ist mit den Risiken und Gefahren des illegalen Onlinehandels? Durch einen Swap in den OTC-Standing könnten diese Gefahren in Deutschland doch möglicherweise verringert werden, so die Befürworter. Der Ausschuss hielt jedoch dagegen, dass ihm belastbare Daten fehlten, um sich für eine Entlassung in den OTC-Standing zu entscheiden. Nun ja, ob dies das allerletzte Wort in Sachen OTC-Sildenafil in Deutschland ist, sei dahingestellt. Vorerst besorgt der illegale Onlinehandel das Geschäft – mit allen Risiken und Gefahren.
18. August 2023
– Die ABDA im August 2023:
Unsere Standesvertretung ruft während der politischen Sommerpause die Apotheken flehentlich dazu auf, ihren Kunden herzallerliebste Kärtchen zu überreichen, um auf ihnen ihre Liebeserklärung an ihre Apotheke zu schreiben. Die Kärtchen sollen dann digitalisiert (wir können digital!) an die Politik weitergeleitet werden mit dem Ziel: Seht her, die Kunden lieben uns und wir brauchen mehr Honorar und mehr Wertschätzung.
– Die KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) im August 2023:
Die Vertretung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten warnt lautstark vor einem „Praxenkollaps“ und fordert medienwirksam eine stärkere politische Unterstützung für den ambulanten Bereich in der Medizin. Die Patientenversorgung im Land sei „akut bedroht“, so die KBV, es fehle Private und Nachwuchs, zudem gebe es zu viel Bürokratie und nur eine unzureichende digitale Infrastruktur. KBV-Chef Andreas Gassen veröffentlicht einen Forderungskatalog, der mit klaren Worten eine „nachhaltige Finanzierung“ vorsieht und ein Ende der Budgetierung für die Praxen. Die KBV liefert zudem gleich Lösungsvorschläge für die Politik mit, wie der Forderungskatalog erfüllt werden könnte. Der KBV-Chef: „Wenn sich nicht bald etwas ändert, geht in den Praxen das Licht aus.“
Mein liebes Tagebuch, in den Apotheken gehen die Lichter bereits aus. Und daher nur mal so als Gedankenspiel: Wer könnte mehr Erfolg in der Politik haben, wer wird ernster genommen: die ABDA-Liebeskärtchen oder der KBV-Forderungskatalog mit Lösungsvorschlägen? Und ja, wir werden natürlich schon ganz gespannt verfolgen, wie Lauterbach mit dem Forderungskatalog seiner Kolleginnen und Kollegen umgehen wird.