Von einer „Revolution im Nahverkehr“ struggle bei der Einführung des Deutschlandti-ckets die Rede. Das struggle am 1. Mai 2023. Ein Jahr später nutzen jeden Monat elf Millionen Deutsche das Ticket, das die unbegrenzte deutschlandweite Nutzung von Bus und Bahn im Nahverkehr ermöglicht. Die Bundesregierung feiert das als Erfolg – doch hinter der dauerhaften Finanzierung steht nach wie vor ein großes Fragezeichen. Eine Bilanz:
Wer nutzt das Deutschlandticket?
Rund elf Millionen Menschen. Davon sind eine Million Menschen Neukunden des öffentlichen Nahverkehrs. Die anderen haben laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ihre bisherigen – in der Regel teureren – Abos umgewandelt oder die Ti-ckets bisher in bar gekauft. In Baden-Württemberg hat etwa die Integration des erst kurz zuvor eingeführten JugendticketsBW ins Deutschlandticket die Nutzerzahlen in die Höhe schnellen lassen.
Dieses kostet junge Leute 365 Euro im Jahr und ist damit noch einmal deutlich günstiger als das reguläre 49-Euro-Angebot. Weiteren Zuwachs versprechen sich Vertriebler in den Verkehrsverbünden dadurch, dass mehr Firmen ihren Mitarbeitern das Deutschlandticket als Jobticket anbieten, diese bezuschusst das Land mit 25 Euro im Monat. Im Bereich des Verkehrsverbunds Ding etwa, der Ulm und die Landkreise Alb-Donau, Biberach und Neu-Ulm umfasst, ist quick ein Drittel der verkauften Deutschlandtickets ein bezuschusstes Jobti-cket, sagt Ding-Geschäftsführer Bastian Goßner. „Da sehe ich noch Wachstumsmöglichkeiten.“
Was sagen die Kunden?
95 Prozent der Menschen, die ein Deutschlandticket besitzen, sind damit insgesamt zufrieden. Das geht aus Befragunggen des VDV hervor. Wohl auch, weil viele damit eine Menge Geld sparen – vor allem, wenn sie regelmäßig über größere Strecken pendeln. Insbesondere bei der Fahrt über die Grenze von Verkehrsverbünden kann man eine Menge Geld sparen.
Ein extremes Beispiel: Wer in Augsburg wohnt und in München arbeitet, hätte vor der Einführung des Deutschlandtickets für die Monatskarten in beiden Stadtverkehren und die Bahnstrecke zusammengenommen monatlich etwa 370 Euro gezahlt, additionally 320 Euro mehr als jetzt. Der Nahverkehr ist aber nicht nur günstiger geworden, sondern auch einfacher: Komplizierte, von Kreis zu Kreis unterschiedliche Traifsysteme spielen für Ticketinhaber keine Rolle mehr.
Das Deutschlandticket hat die Nutzung des ÖPNV radikal vereinfacht und attraktiv gemacht.
Winfried Hermann
„Das Deutschlandticket hat die Nutzung des ÖPNV radikal vereinfacht und attraktiv gemacht“, bilanziert der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Die Verkaufszahlen liegen deutlich höher als ursprünglich erwartet und die Fahrgastzahlen insbesondere im Schienenverkehr des Landes liegen inzwischen über dem schon hohen Niveau von 2019.“ Daran zeige sich der Erfolg des Angebots.
Was sagt die Verkehrsbranche?
„Wir begrüßen das Angebot, das den Kunden eine Vereinfachung und mehr Leute in den öffentlichen Verkehr bringt“, sagt Ding-Geschäftsführer Goßner. Auch sein Kollege Bernd Hasenfratz vom Verbund Bodo, der die Kreise Ravensburg, Lindau und Bodensee umfasst, sagt zum Deutschlandticket: „Wir stehen dahinter und hoffen, dass es weitergeht.“ Reine Freude herrscht aber nicht. Das hat zwei Gründe. Erstens ist die langfristige Finanzierung des Tremendous-Billig-Angebots noch immer zwischen Bund und Ländern strittig. Und zweitens gibt es zwar mehr Kunden, doch das Nahverkehrsnetz ist vor allem jenseits der Ballungszentren noch immer lückenhaft – und es droht noch stärker ausgedünnt zu werden.
Wie steht es um die Finanzierung?
Wegen des 49-Euro-Tickets fehlt den Verkehrsunternehmen Geld aus dem Fahrkartenverkauf. Dieses wird ihnen vom Staat ersetzt. Allerdings sind Bund und Länder noch immer uneins über die dauerhafte Finanzierung. Klar ist, dass Bund und Länder in diesem und im kommenden Jahr jeweils rund 1,5 Milliarden Euro bereit- stellen. Zusätzlich soll Restgeld, das im vergangenen Jahr nicht aufgebraucht wurde, weil das Ticket erst im Mai eingeführt wurde, in dieses Jahr übertragen werden.
Der VDV rechnet allein in diesem Jahr aber mit tatsächlichen Kosten in Höhe von 4,1 Milliarden Euro. Wer die Differenz zahlt, ist immer noch offen. Die Länder fordern vom Bund auch, dass dieser die Übertragbarkeit der Mittel ins Folgejahr gesetzlich regelt – auch für die Folgejahre. Das ist bisher nicht passiert. Bei der Verkehrsministerkonferenz in der vergangenen Woche haben die Länder aber bekräftigt, dass es das Ticket auf jeden Fall langfristig geben soll.
Wo lange die Finanzierung ungeklärt ist, bleibt die Planungsunsicherheit für die Verkehrsbranche ein großes Downside. Die Verbünde müssten jetzt eigentlich ihr eigenes Abo-Angebot entschlacken, weil viele regionale Angebote, die mehr als 49 Euro im Monat kosten, nicht mehr gekauft werden. „Wir können die Bereinigung aber nicht angehen, wenn wir nicht wissen, wie es weitergeht“, sagt Ding-Chef Goßner. Auch Pendler, die über einen Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn nachdenken, dürfte die wackelige Zukunft des Tickets eher abschrecken.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellt für 2025 ein „erneutes Gesetzgebungsverfahren“ in Aussicht, um „auf der Grundlage der dann erfolgten Regelungen zum Nachteilsausgleich die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets dauerhaft zu sichern“ – so formulierte es Wissings Ministerium im März in einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage der Unionsfraktion. Wissing ist zurückhaltend bei Zusagen zu einem dauerhaften finanziellen Engagement des Bundes. Er verweist auf die Zuständigkeit der Länder für den Nahverkehr. Die fordern aber dauerhaft Geld vom Bund. „Sonst landet das Deutschlandticket auf dem Abstellgleis“, warnt etwa Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). „Wenn die Gelder nicht reichen, wird auch über einen Preisanstieg diskutiert werden müssen.“
Warum wird gerade jetzt über Einschnitte beim ÖPNV-Angebot gesprochen?
Bernreiter gehört zu den Skeptikern des Deutschlandtickets. „Nach wie vor vertrete ich den Standpunkt, dass das Geld von Bund und Ländern für das Deutschlandticket zunächst besser in die Infrastruktur und ein gutes, verlässliches Angebot auf der Schiene investiert worden wäre“, sagt der CSU-Mann. Die Menschen auf dem Land hätten von dem Angebot nicht viel. Auch Bodo-Geschäftsführer Hasenfratz resümiert: „Wir haben einen günstigeren Nahverkehr, aber keinen besseren.“ Zu schaffen machen der Branche steigende Energie- und Personalkosten – während gleichzeitig die Einnahmen wegen des Deutschlandtickets einbrechen.
Im Bodo-Gebiet wird laut Hasenfratz noch nicht über eine Ausdünnung des Fahrplans nachgedacht – anderswo schon. In Schleswig-Holstein spricht Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) schon über mögliche Einschränkungen beim Fahrplan. Hintergrund ist das ständige Ringen von Bund und Ländern um so- genannte Regionalisierungsmittel – dieses Geld zahlt der Bund den Ländern, damit diese eigenständig den Nahverkehr vor allem auf der Schiene organisieren können. Der Bund hat zwar einer Erhöhung der entsprechenden Mittel zugesagt. Das reicht aber nach Ansicht der Länder schon in den nächsten Jahren nicht einmal mehr dazu, das bestehende Angebot zu finanzieren.
Eine Studie sieht bis 2031 einen zusätzlichen Finanzbedarf von 40 Milliarden Euro für den Nahverkehr vor. Die Studie struggle vom Bund selbst in Auftrag gegeben worden – der damit den Ländern eine Steilvorlage geliefert hat: Auf Grundlage dieser Studie sei „die kurzfristige Bereitstellung weiterer Regionalisierungsmittel zwingend erforderlich, um zumindest die Bestandsverkehre ab dem Jahr 2025 weiter finanzieren zu können“, heißt es aus dem Haus von Südwest-Verkehrsminister Hermann.