Die Propaganda in Russland wird immer drastischer. Zu deren Verbreitung trage auch Google bei, sagt der russische IT-Experte und Linguist Lev Gershenzon. Doch dagegen könne zügig etwas unternommen werden.
Dass freie Berichterstattung in Russland nahezu unmöglich geworden ist, hat sich während des Krieges in der Ukraine manifestiert. Für die Verbreitung von Propaganda allerdings, sagt Lev Gershenzon, sei auch Google verantwortlich. Gershenzon conflict früher Chef von “Yandex Information”, dann wandte er sich von Russlands größtem Techkonzern ab und bekämpft nun im Ausland das Verbreiten von Falschnachrichten.
Im Interview mit t-online sagt er, dass Google dafür lediglich seine Helpful-App “Uncover” umprogrammieren müsste, der Wille aber fehle. Er erklärt, was die Kindersendung Mascha und der Bär mit YouTube zu tun hat und wie die Propaganda auf die russische Bevölkerung wirkt.
t-online: Herr Gershenzon, die Propaganda in Russland könnte derzeit massiver kaum sein. Sie kritisieren, dass Google dazu beiträgt. Wie das?
Lev Gershenzon: Ich conflict anfangs der Meinung, dass Google das nicht absichtlich macht. Dass es ein Fehler in der Software program ist und Google-Entwickler diesen beheben können, wenn sie nur den Algorithmus ändern. Doch ich habe mich getäuscht, dass sie es sofort angehen würden.
Was genau ist das Drawback?
Die Smartphone-App “Uncover” von Google zeigt Nachrichten an, eine Überschrift, ein Bild, eine Kurzbeschreibung und Quellenangabe. In Russland zeigt sie dabei aber Inhalte von Propagandamedien an. Google beteiligt sich damit an der Verbreitung von Falschmeldungen. Das ist verheerend. Denn wenn man sein Helpful aufmacht und ein bisschen rumscrollt, wird man mit dieser Propaganda konfrontiert. Uncover zeigt auch unabhängige, in Russland blockierte Inhalte an. Sogar ukrainische Nachrichtenkanäle. Wir wissen nicht, in welchem Umfang, aber definitiv deutlich weniger als Propaganda oder neutrale Nachrichtenseiten.
Lev Gershenzon, geboren in Moskau, IT-Experte und Linguist, conflict Chef von “Yandex Information” (2007-2012), der Nachrichtensparte des Medienkonzerns und Google-Konkurrenten Yandex in Russland. Er ist erklärter Gegner des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Gershenzon arbeitet nun für “The True Story“, einem unabhängigen Nachrichtenaggregator. Die Plattform wurde am 22. August 2023 gestartet und drei Tage später in Russland gesperrt. “Wir sind die Champions was das angeht”, sagt Gershenzon, “so schnell wurde noch keine Seite in Russland gesperrt.” Er lebt im Ausland.
Wie viele Menschen erreicht denn die Propaganda through Google Uncover?
Das ist schwer zu beziffern. Wir wissen aber: Zwischen 85 und 90 Prozent aller Smartphones in Russland sind Android-Geräte. Auf all diesen Geräten sind Uncover und der Chrome-Browser, der nach gleichem Prinzip funktioniert, standardmäßig vorinstalliert. Selbst wenn das russische Äquivalent, der Yandex-Browser, mitgeliefert wird. Additionally sehen 85 bis 90 Prozent der Smartphone-Nutzer in Russland dieses Angebot, das ist enorm.
Es gibt Erhebungen, die zeigen, dass fünfmal mehr Überschriften gelesen als Artikel tatsächlich angeklickt wurden. Google kennt genaue Zahlen, ich nicht. Aber wenn wir davon ausgehen, dass nur 20 Prozent der Leute tatsächlich auf die Überschriften klicken, ist schon das enorm. Aber wie Sie als Journalistin wissen, ist die Schlagzeile das Mächtigste an der Information-Verbreitung. Sie erregt die Aufmerksamkeit und verankert sich in den Gehirnen und Köpfen der Menschen. Das ist wichtig für die Propaganda.
Wie hat da der Kreml seine Hände im Spiel?
Es ist kein Geheimnis, dass der Kreml unabhängige Medien vollständig blockiert. Zugleich kann die Regierung sehr viel Geld in gefügige Medien stecken. Unter anderem Yandex. Und: Die staatliche Zensurbehörde kann die Algorithmen austricksen. So erkläre ich mir das. Die Regierung greift auf diesem Weg direkt in den Datenverkehr ein: Die Algorithmen von Uncover werden mit Inhalten von Propagandamedien gefüttert, die sehr populär wirken, sehr klickträchtig.
So erscheint Propaganda-Content material auch für Google interessanter, weil er viel Site visitors, additionally Reichweite verspricht. So machen Propagandamedien Millionen, manchmal zehn Millionen zusätzliche Klicks im Monat, das haben wir mithilfe der Datenrechercheseite liveinternet.ru festgestellt.
Sie arbeiten schon lange an diesem Thema. Beliebt sind Sie bei Google wahrscheinlich eher weniger.
Der Kontakt ist schwierig. Google kommuniziert kaum mit uns. Ein früherer Kollege, der heute offenbar bei Google arbeitet, meinte, man arbeite daran. Davon gesehen habe ich bisher aber noch nichts. Aber es zeigt: Wenn sie etwas ändern wollten, könnte es ganz schnell gehen.
Sie dringen mit Ihrer Kritik nicht durch?
Ich dachte, nach Ausbruch der Vollinvasion 2022 hat sich gezeigt: Das Produkt, additionally Uncover, conflict einfach nicht intestine. Aber man kann das Drawback leicht beheben und sich entscheiden, das Richtige zu tun, damit Geld verdienen und Geschäfte machen. Eine echte Win-win-State of affairs. Sie verbessern das Produkt, und das womöglich nicht nur für diesen Teil des Marktes, sondern vielleicht auch in anderen Bereichen, anderen Regionen und so weiter. Die Nutzer sind zufriedener und das Unternehmen verliert kein Geld. Aber ich conflict am Anfang zu naiv. Ich dachte, ich als IT-Mensch weise einfach darauf hin, dass das Drawback besteht, und ein paar andere IT-Mitarbeiter von Google bemerken das und sagen dann: Oh ja, danke, wir werden den Fehler beheben und ändern den Algorithmus. Aber das passiert einfach nicht. Und alles ist sehr intransparent.