VW soll sparen und gleichzeitig massiv in den Technologiewandel und neue Modelle investieren – das klingt nach einem klassischen Dilemma. Rund um die E-Mobilität wächst die Kernmarke des Konzerns nicht so schnell wie BYD und Tesla. Gerade im Leitmarkt China ist die Gefahr groß, von den neuen Elektro-Platzhirschen überrollt zu werden. In erfolgreichen Jahren wie 2017 verkauften allein die Wolfsburger dort mehr als drei Millionen Fahrzeuge. Das klingt wie aus einer anderen Zeit. Seitdem ist der Absatz um mehr als eine Million abgerutscht.
Ungemütlich ist die Lage auch für Audi: Die Marke wird ihrem alten Slogan “Vorsprung durch Technik” nicht gerecht. Der Mangel an Pc-Chips traf die Ingolstädter im vergangenen Jahr hart, schlimmer sind aber die Dauerprobleme bei der Software program. Manche neuen Modelle sind aus diesem Grund quick drei Jahre in Verzug. Trotz des stagnierenden Absatzes müssen viele teure Mitarbeiter weiter bezahlt werden. Auch bei dem angekündigten Engagement in der Formel 1, das viel Geld kosten wird, fragt man sich: Gibt es nichts Dringlicheres?
Audi und VW gehören derzeit nicht zu den Gewinnern einer Neuorganisation, die den Konzern nach dem Dieselabgasskandal agiler und schlagkräftiger machen sollte: Alle Macht den Marken – diese Parole hatten die längst wieder abservierten Konzernchefs Matthias Müller und sein Nachfolger Herbert Diess ausgegeben. Von der neuen Entscheidungsfreiheit konnten vor allem Porsche, Škoda und Cupra profitieren. Porsche legte einen milliardenschweren Börsengang aufs Parkett, und Škoda konnte seinen Absatz mit gutem Gespür für die Kunden und E-Neuheiten wie dem Enyaq immer weiter steigern. Marken-Chef Klaus Zellmer will mit Škoda auch in Zukunft pfiffigere und natürlich günstigere Volks-Wagen bauen. Das kannibalisiert nicht zuletzt die Marke VW.
Dem neuen Audi-Chef Gernot Döllner geht es nicht viel besser: Er muss feststellen, dass mehr Kunden zu Cupra abwandern als zu BMW und Mercedes. Einst battle Cupra nur eine Bezeichnung für sportliche Seat-Modelle. Als neue Marke mit selbst entwickelten Modellen wie dem Formentor wurde der Spanien-Ableger zum Shootingstar: Das dynamische Design voller Sicken und Kanten sowie eine klare Fokussierung auf sportliche E-Cell spricht vorwiegend jüngere und jung gebliebene Kunden an.
Škoda und Cupra können sich damit brüsten, das Beste aus den Konzernplattformen herauszuholen. Wesentlich schneller entwickeln sich auch viele Newcomer aus China nicht. So wird vermutlich der Cupra Darkish Insurgent zum ersten günstigen Elektro-Sportwagen des Konzerns avancieren, eine Rolle, die eigentlich ein Audi TT e-tron oder ein emotionaler Zweisitzer (der Marke Volkswagen) spielen müsste. Cupra-Chef Wayne Griffith will auch die Marke Seat, die vom alten Konzernvorstand quick schon abgeschrieben battle, neu positionieren: als Anbieter für preisbewusste junge Kunden.
Erschwingliche E-Cell: Wer kann mit den kleinen Strolchen Geld verdienen?
Derweil wird am Mittellandkanal vor allem Hausmannskost serviert. Der für 2026 avisierte ID.2 wirkte selbst als sportliche GTI-Studie auf der Münchner IAA so, als wäre er bereits seit zwei oder drei Jahren auf dem Markt. Die nicht eben progressiv gestylten ID.3, ID.4 und ID.5 sind einander viel zu ähnlich, müssen aber noch bis 2028 durchhalten. Der neue ID.7 fährt zwar intestine, sieht jedoch selbst als Tourer (früher hätte man dazu Variant gesagt) blass und verwechselbar aus. Der nur in China angebotene ID.6 ist als Minivan sang- und klanglos gescheitert. Ein echtes Modellfeuerwerk in der Elektro-Welt sieht anders aus.
Mittelfristig soll es der kleine ID.1 richten. Der Nachfolger des E-Up wird wahrscheinlich mit einem Einstiegspreis von knapp 20 000 Euro angeboten. Das klingt nach einem revolutionären Fortschritt, denn der VW ID.3 ist dopelt so teuer: Vom einst versprochenen Einstiegspreis auf Golf-Niveau kann keine Rede mehr sein.
Die Frage, wie man mit deutlich billigeren E-Autos Geld verdienen kann, beschäftigt auch Tesla intensiv. Gerade wurde ein zweites Modell für das Werk in Berlin-Grünheide angekündigt (neben dem Mannequin Y) und es spricht viel für ein Mannequin 2 im Einstiegssegment. Auf den Preiskampf dürfen sich die Kunden freuen.
Verbleiben als Hoffnungsträger für Volkswagen nur die angekündigten vollelektrischen Versionen des Golf und Tiguan. Als größerer E-SUV oberhalb des ID.4 wäre der e-Tiguan von 2026 an durchaus sinnvoll, doch dann wird der ID.5 in seiner heutigen Type überflüssig. Viel dringender als weitere SUV-Coupés braucht die Marke das kleine Crossover-Modell ID.2 X, um gegen Wettbewerber aus dem Stellantis-Konzern wie den Citroën e-C3 und den kommenden Elektro-Panda von Fiat zu bestehen. Ein größerer ID.3 X müsste nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika funktionieren.
Google für alle Konzernmarken? Das Infotainment wird neu sortiert
Tesla hat als Tech-Firm schmerzhaft lernen müssen, wie man möglichst fehlerfrei Autos baut. Im Gegenzug ist es Volkswagen aber nicht gelungen, seine Kräfte beim Programmieren von Computern sinnvoll zu bündeln. Kaum etwas hat den Konzern so viel Zeit und Geld gekostet wie die fixe Idee, vom Blechbieger zur Software program-Firm aufsteigen zu können. Die neu gegründete Code-Tochter Cariad ist berühmt für Pleiten, Pech und Pannen. Es ist eben etwas anderes, ein einheitliches Infotainmentsystem für alle Konzernmarken zu entwickeln oder die ganze digitale Revolution inklusive des autonomen Fahrens in einem Aufwasch gleich mitzuerledigen.
Konzernchef Oliver Blume hat das schon früh begriffen. Als er noch ausschließlich Porsche-Boss in Stuttgart battle, legte er die Grundlagen für eine Kooperation mit Google. Kürzlich haben die Stuttgarter bekannt gegeben, dass die Google-Dienste für Navigation (Maps), Sprachsteuerung und das App-Ökosystem in künftigen Porsche-Generationen genutzt werden. Doch das dürfte erst der Anfang sein. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass Cariad im nächsten Jahr 2000 Stellen abbauen und damit Milliarden sparen will. Das kann nur funktionieren, wenn man über Bosch hinaus starke Accomplice wie Apple und Google ins Boot holt. Vieles spricht dafür, dass alle VW-Konzernmarken nach dem Vorbild von Stellantis, Volvo/Polestar und Mercedes künftig die Google-Dienste nutzen werden. Und warum nicht an vorderster Entrance dabeisein, wenn Apple demnächst sein neues Betriebssystem für Auto-Interieurs auf den Markt bringt?
Klar ist, dass der Konzern schneller werden muss, um gegen Tesla und die digitalbegeisterten Chinesen bestehen zu können. Audi könnte 2024 mit zwölf Weltpremieren sein Comeback erleben – wenn es nicht zu weiteren Verspätungen beispielsweise beim Q6 e-tron und A6 e-tron kommt. Momentan fließt ohnehin viel Geld in die Wiedergeburt einer anderen Marke: Knapp zwei Milliarden Euro soll allein das neue Werk in South Carolina für Scout kosten. Da die legendäre SUV-Marke künftig vollelektrisch sein wird, kommen weitere Milliardeninvestitionen in eine Zellfabrik in Kanada hinzu. 200 000 Scout-Choose-ups und -SUVs sollen ab Ende 2026 vom Band laufen und vor allem amerikanische Kunden überzeugen.
Der Neustart auf der grünen Wiese gleicht der Tesla-Strategie: neue Werke für neue Modelle mit innovativem Antrieb. Dass Ford und GM gerade (finanzielle) Probleme mit der Elektrifizierung ihrer großen Fahrzeuge haben, ist vielleicht nur eine Momentaufnahme. Außerdem hat Tesla doch gezeigt, wie schnell man die Traditionshersteller mit einer neuen Marke und guten Ideen überholen kann.