Parodontitis
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Zahnärzte schlagen Alarm
DÜSSELDORF Kostendämpfung bei der Parodontitis-Behandlung schade den Patientinnen und Patienten.
Wer sich beim Zahnarzt in den Behandlungsstuhl setzt, kommt nicht umhin, die Zähne zu zeigen. Doch nun werden die Patientinnen und Patienten schon bei Betreten der Praxis eben dazu aufgefordert. Am Donnerstag startete in Düsseldorf die Kampagne „Zähne zeigen“, in deren Rahmen die Interessenvertretung der Zahnärzte die bundesweit 40 000 Praxen mit Plakaten ausstattet. Patienten sollen sich im eigenen Interesse gegen die Sparpolitik in einem wichtigen Bereich einsetzen. Da gibt es Schlagworte wie „Diagnose Sparodontose“ oder den in großen Lettern gedruckten Vorwurf an den Bundesgesundheitsminister: „Von dieser Gesundheitspolitik bekommt man Zahnfleischbluten, Herr Lauterbach!“
Es geht um eine Gesetzesänderung, die die zahnärztlichen Budgets für die Parodontitis-Behandlung (Therapie bei entzündetem Zahnfleisch) stark begrenzt. Dies verringert nicht nur die Einnahmen der Zahnärzte, sondern auch deren Motivation, eine einmal begonnene Parodontitis-Behandlung fortzusetzen, eben weil sich dies für sie nicht mehr rechnet.
Zahnverlust und weitere schwere Risiken durch Parodontitis
Parodontitis ist der Hauptgrund für den Verlust von Zähnen bei Erwachsenen. Constantin Hartwig, Zahnarzt aus Düsseldorf, in dessen Praxisräumen die Kampagne am Donnerstag vorgestellt wurde, erklärt es so: „Quick jeder zweite Erwachsene hat eine Parodontitis, zehn Millionen davon bereits eine schwere Kind.“ Hier bestehe ein hohes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. Das Risiko, an Diabetes zu erkranken, sei bei diesen Patienten um acht- bis neunmal höher. Hartwig: „Gerade deshalb haben neben den zahnmedizinischen auch die medizinischen Fachgesellschaften die Finanzierung einer Parodontitis-Behandlung gefordert. Dies wurde 2021 endlich eingeführt. Eine wirksame Behandlung erfordert eine bis zu dreijährige zahnärztliche Begleitung. Diese schon nach einem Jahr zu kappen, ist für die Patienten ein herber Rückschlag und völlig unverständlich.“
Versicherte hatten bisher in einem Zeitraum von zwei Jahren nach Abschluss der aktiven Behandlungsphase einen verbindlichen Anspruch auf eine strukturierte Nachsorge. Dazu gehören die Mundhygienekontrolle, wenn erforderlich eine erneute Mundhygieneunterweisung, eine vollständige Reinigung aller Zähne von Biofilmen und Belägen, erneute Messungen von Sondierungstiefen der Zahnfleischtaschen und gegebenenfalls eine erneut notwendige Behandlung
Die nachträgliche Budgetierung auch für bereits laufende und künftige Parodontitis-Behandlungen kritisieren die Zahnärzte massiv: Martin Hendges, Vorstand der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, betont, welche Vorteile die präventive Behandlung auch für die Versichertengemeinschaft habe. Gerade die Zahnmedizin habe es in den letzten Jahren durch einen konsequenten Ausbau präventiver Leistungen geschafft, den Kostenanteil der Krankenversicherung zu senken. Es wirke doch auch in die Zukunft, wenn Karies reduziert und vollständiger oder Teilzahnersatz immer weniger notwendig werde.
Hendges: „Es ist schlichtweg unsinnig, Leistungen zu budgetieren, die in die Zukunft wirken und von denen wir uns doch alle wünschen, dass möglichst viele Menschen diese Behandlung erhalten. Eine Begrenzung führt faktisch zu einer Selektion. Wer soll entscheiden, wer eine Behandlung erhält?“ Die privaten Krankenversicherungen hätten sich wegen der großen Vorteile der Prävention klar für eine Fortführung der Parodontitisstrecke (die über einen längeren Zeitraum erfolgende Behandlung) entschieden. Hendges urteilt: „Verkehrte Welt, so führt die Politik eines sozialdemokratischen Gesundheitsministers direkt in die Zweiklassenmedizin.“
Zahnärzte wollen die Leistung nicht free of charge erbringen
Ein Zahnarzt aus Westfalen, der nicht genannt werden möchte, erklärt die praktische Auswirkung der Budgetierung: Seine mit einer Kollegin betriebene Praxis habe ein jährliches Funds für Parodontitis-Behandlungen von 50 000 Euro. „Bei jeder Leistung, die wir darüber hinaus erbringen, bekommen wir nur 20 Prozent des Honorars. Eine Warnampel in unserem Praxiscomputer zeigt uns, wann wir uns der Grenze nähern. Und ab wann wir quasi free of charge behandeln müssten. Da ist es doch klar, dass wir dann lieber Füllungen machen. Und die Parodontitis-Patienten bleiben im Regen stehen.“